Montag, 22. Juni 2015

"Geklauter" alter Menghai Tee

Heute will ich euch einen Tee mit einer wirklich interessanten Geschichte vorstellen.

Mein guter Freund Yang Hua, den ich auf meiner ersten Yunnan Expedition kennen gelernt habe, arbeitet als Designer für verschieden Teefabriken. Vor ein paar Jahren hatte er einen Auftrag von einer Teefabrik, die anschließend pleite ging. Die Firma schuldete Yang Hua eine nicht unerhebliche Menge Geld und der Besitzer wollte (konnte) ihn nicht mehr bezahlen.
Daraufhin entschloss sich Yang Hua die Firma persönlich aufzusuchen um doch noch an seinen Lohn zu kommen. Das Einzige was er dort noch finden sollte, war eine große gepresste Platte alten Tees, die er dann auch gleich mal mitgenommen hat. Wir haben den Tee daraufhin immer als geklaut bezeichnet ;-)

Der Tee wurde die meiste Zeit in Yunnan gelagert und fermentiert entsprechend langsam. Dadurch sind aber auch die feinen Aromen erhalten geblieben, welche in zu feuchtem Klima leider schnell verloren gehen. Aufgrund der Farbe des Aufgusses, der Pressung und unter Einbezug des Lagerortes würde ich sagen, dass dieser Tee um die 12-15 Jahre alt ist.

Ursprünglich kommt der Tee aus der Ecke Menghai, was man auch am Geschmack merkt. Wir haben diesen Tee recht häufig während unserer letzten Rundreise in Yunnan getrunken und ich erinnerte mich immer an eine feine Süße und ein sehr angenehmes Aroma, aber auch die Menghai-Typische rauchige, leicht bittere Note. Damals wussten wir nicht, ob es sich um einen gushu handelte, aber dazu später noch mehr. 

Ich habe ein ungefähr 6g schweres Stück aus dem Tee gebrochen, was bei der Größe der benutzten Gaiwan (ungefähr 180ml) noch so in Ordnung ist.
Das Stück ist sehr stark gepresst, was bei gutem Tee hilft, die Aromen zu erhalten und den süßlichen Geschmack zu betonen. Allerdings fermentiert stark gepresster Tee auch recht langsam.


So einen alten, fest gepressten  Tee muss man relativ lange "waschen". Ich habe ihn erstmal eine Minute ziehen lassen, bis er sich leicht gelöst hat. Der erste Aufguss kam dann weg und ich roch erstmal am beidi.




Nach dem man den ersten Aufguss weggeschüttet hat kann man am Geruch des lehren Bechers (beidi, heißt übersetzt der Boden des Bechers) einiges über die Qualität des Tees erfahren. Bei jungem Puer duftet das (oder der? oder die?) beidi sehr stark wenn der Tee von alten Bäumen kommt. Bei taidi cha, also Tee von jungen Büschen (direkte Übersetzung wäre Terrassen- oder Stufen-Tee) riecht man in der Regel wenig bis gar nichts.
Der Geruch war für alten Tee nicht sehr stark, aber trotzdem angenehm und vorhanden.

Der erste Aufguss war noch etwas dünn (der hart gepresste Tee braucht ja immer etwas bis er in fahrt kommt), der zweite wusste doch schon vollends zu überzeugen (man beachte auch auf den Bildern den Unterschied zwischen Aufguss 1 und 2).


Aufguss 1

Aufguss 2

Auch wenn es heute sehr schwül in Shanghai ist und gestern noch geregnet hat kam das süßliche Aroma sehr schön raus. Eine leichte Rauchnote war klar zu spüren, aber sie war nicht sehr dominant. Die Süße dieses Puer kann ich immer noch schwer beschreiben, sie ging in die Honig-Richtung (mixiang 密香), hatte aber noch etwas blumiges dabei. Ich werde den Tee mal meiner inoffiziellen Lehrerin Liu Min mitbringen, welche einen Teeladen in Shanghai besitzt und ausgezeichneten Puer verkauft. Liu Min hat ein außergewöhnliches Gespür für guten Tee und kann die Geruchsnoten immer sehr treffend in Worte fassen.



Im Gegensatz zu meinen Erinnerungen (wir tranken den Tee ja auf unserer Reise), ließ nach ein paar Aufgüssen doch relativ früh der Geschmack des Tees nach und auch diese abschließende extreme Süße, die man oft bei gushu Puer bekommt, kam nicht heraus. Die houdu, also das Volumen des Tees stimmte nicht wirklich.

Nach einigen Aufgüssen ließ der Geschmack deutlich nach

Auch der Anblick der aufgebrühten Blätter (yedi 叶底) lässt darauf schließen, dass es sich bei diesem Tee um taidi cha handelt. Für gushu cha sehr typisch sind die dicken, weichen Stängel und auch die Blätter sind eher elastisch und rissfester. Hier sind aber die Blätter sehr dünn und zerbrechlich und die Stängel dünn und relativ fest gebleiben. Ich bin zwar (noch) kein absoluter Experte auf dem Gebiet, aber ich denke, dass ich in dem Fall richtig liege.




Ausgerechnet hier sieht man natürlich die einzigen drei
dicken, weichen Stengel die im yedi zu finden waren 

Leider werden wir bei dem Tee nie genau wissen, wo er her kommt und wie alt er ist, aber es ist ein Tee mit einer Geschichte, den man sehr genießen kann.
Außerdem ist er ein ausgezeichnetes Beispiel dafür, dass guter Tee nicht unbedingt von alten Bäumen sein muss. Trotzdem fehlen ihm natürlich die positiven Eigenschaften eines gushu. 






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